Lost Place: Beelitz-Heilstätten

Mit 15 war ich das erste Mal in einer verlassenen und halb ausgebrannten Villa einer Diplomatenfamilie in Bonn. Der Ort hatte etwas Einschüchterndes, nahezu Gespenstisches an sich. Faszinierend. Mit Fotografie hatte ich noch nichts am Hut. Meine Bekannte, die den Ort entdeckt hatte, verknipste drei Filme in einer halben Stunde. Ein paar Jahre später dieselbe Atmosphäre in einem verlassenen Wohnbungalow. Da hatte ich wenigstens eine digitale Kompaktkamera dabei. Wenn man in Berlin lebt, kennt man die 50 km weit entfernten Beelitzer Heilstätten zumindest dem Namen nach.

Das alte verlassene Lungensanatorium? Ja, genau. Gab es da nicht einen Mord? Ja, nicht nur einen. Ist es einen Besuch wert? Ja, und wie.

Fototour in der Männerklinik

Es ist bitterkalt aber sonnig. Perfekte Lichtverhältnisse für eine Fototour in Beelitz. Fünf Stunden Zeit für die Erkundung der verlassenen Männerklinik. Für die geschichtlichen Hintergründe der Heilstätten interessieren sich die wenigstens der angereisten Hobbyfotografen. Nachdem der Startschuss fällt, verlieren sie keine Sekunde und entschwinden in die verschiedenen Gebäude. Trotz einfrierender Füße und Finger folge ich dem Guide durch die Gebäude. Ich erhalte einen Crashkurs heilstättischer Entstehungsgeschichte. So viel Zeit muss sein.

Die Heilstätten bestehen aus 60 denkmalgeschützten Gebäuden, die sich auf 200 ha Gesamtfläche verteilen. Umgeben von Kiefernwald. Die Architekten Heino Schmieden und Julius Boethke leiteten die erste Bauphase von 1889-1902. Für die Erweiterung der Bettenzahl und der dritten und letzten Bauphase übernahm ab 1908 bis 1930 Fritz Schulz das Zepter. Nördlich der Bahnlinie entstanden die Lungenheilstätten, während im Süden die Sanatorien für die nicht ansteckenden Krankheiten gebaut wurden. Die Patienten wurden nach Geschlechtern getrennt betreut und untergebracht. 116.957 Patienten und Patientinnen in den Jahren 1902-1926. Westlich der Landstraße die Frauen und im Osten die Männer. Im Ersten und Zweiten Weltkrieg dienten die Heilstätten als Lazarett.Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Gelände von der Roten Armee übernommen und beherbergte bis 1994 das größte Militärhospital der sowjetischen/russischen Armee im Ausland. Zu den populärsten Patienten der Heilstätten zählen Adolf Hitler, Vladimir Putin und Erich Honecker.

Eine gute Überleitung zu den Morden, die sich auf dem Gelände ereigneten. 1991 ermordete der Serienmörder Wolfgang Schmidt, auch bekannt als der Rosa Riese, eine 34 jährige russische Arztgattin und ihren drei Monate alten Säugling. Im Jahr 2008 ereignete sich ein weiterer Mord. Ein Fotomodel wurde von ihrem Fotografen auf dem Gelände umgebracht. Die beiden lernten sich im Internet kennen. Drei Jahre später wählte ein Obdachloser die Heilstätten als Ort für seinen Freitod. Er erhängte sich. Zuvor hatte er mehrere Jahre auf dem Gelände gelebt.

Nicht nur aufgrund dieser Geschichten dienten die Heilstätten in den letzten Jahren als Filmset für verschiedene Produktionen. Jüngst für den Mysterie Streifen A Cure for Wellness

 

Mit einer gewissen Enttäuschung erklärt der Guide, dass durch die verschiedenen Dreharbeiten oberflächige Sanierungsarbeiten innerhalb der Gebäude durchgeführt wurden. Wer auf der Suche nach 23 Jahren Verfall ist, wird in der Männerklinik nur bedingt glücklich werden. Die Zeiten des Lost Place Beelitz gehören ohnehin bald der Vergangenheit an. Das ganze Areal ist verkauft. Im ehemaligen Pavillion des Frauen-Sanatoriums entstehen bereits Eigentumswohnungen für Kreative.

Die Beelitzer Heilstätten erkunden

go2know

Seit 6 Jahren veranstalten Thilo Wiebers und Andreas Böttger Fototouren an verlassenen Orten. In Beelitz gibt es gleich mehrere Touren, die ihr buchen könnt. Am jeweiligen Ort könnt ihr euch frei bewegen. Auf Wunsch bieten die Guides Führungen und teilen mit euch ihr fundiertes Hintergrundwissen.

Beelitz-Heilstätten. Vom Sanatorium zum Ausflugsziel (Geschichts- und Erinnerungsorte) von Andreas Böttger (Werbung*)

Die wichtigsten Fakten und Hintergrundinformationen zu den Heilstätten. Das Buch kann auch bei den Guides vor Ort erworben werden. Gut investierte 5 Euro.

Lost Places Beelitz-Heilstätten von Martin Heydecke (Werbung*)

Fotografische Inspiration gibt es in dem Bildband herausgegeben von Martin Heydecke. Der Fotograf Marc Mielzarjewicz dokumentieren den eindrucksvollen Ort nicht nur in Totalen. Mielzarjewicz konzentriert sich auf die kleinen Details.

*Affilinet Links: Ich nehme am Amazon Partnerprogramm Teil und erhalte wenn ihr etwas über diesen Link kauft eine Provision. Für euch kosten die Artikel keinen Cent mehr.

6 Comments

  1. Dagmar 9. August 2017 at 11:04

    Sehr informativ und interessant.
    Bei mir um die Ecke gibt es ebenfalls einen Lost Place, wo manchmal Foto-Führungen angeboten werden. Da will ich unbedingt mal hin.

    Reply
    1. Annette 9. August 2017 at 11:44

      Danke liebe Dagmar. Lost Places haben eine ganz eigene Atmosphäre, besonders zum Fotografieren sind sie einfach toll.

      Reply
  2. Sarah Maria 9. August 2017 at 11:43

    Was für schöne und stimmungsvolle Fotos. Ich wollte dort auch immer mal hin. Habe es aber leider bisher nie geschafft. Jetzt schreibe ich es mal ein bisschen weiter oben und fett auf meine Liste!

    Liebe Grüße zu dir,
    Sarah

    Reply
    1. Annette 9. August 2017 at 13:35

      Danke dir! Ja, ich hatte an dem Tag auch richtig Glück mit dem Licht. Strahlender Sonnenschein bei -2 Grad Außentemperatur. Der Tag hat sich mehr als gelohnt.

      Reply
  3. Barbara 26. August 2017 at 16:49

    Von den Beelitzer Heilstätten habe ich jetzt schon ein paar Mal gehört. Die Fotos wirken fast mystisch, irgendwie verwunschen. Alleine hätte ich da glaube ich Angst drin…

    Danke fürs Teilen, das sind traumhaft schöne Fotos!

    Reply
    1. Annette 27. August 2017 at 19:08

      Danke liebe Barbara!
      Ja, ich war mit einer Gruppe von Fotografen unterwegs, alleine wäre es mir sicherlich auch etwas mulmig geworden.

      Liebe Grüße
      Annette

      Reply

Leave A Comment

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert