Als ich mit dem Tauchen angefangen habe und mich durch die Theorie des Manuals zum Open Water Diver gearbeitet habe, hat mich die ganze Tauchphysiologie ganz schön eingeschüchtert – nicht zu sagen verängstigt. Bin ich denn lebensmüde, dass ich mich diesen ganzen Gefahren wirklich aussetzen möchte? Mittlerweile habe ich verstanden, dass ein Wissen um eben diese ganzen Risiken und Abläufe im Körper ein Großteil der Prävention ausmacht. Damit eben nichts passiert bzw. das Risiko, dass es wirklich zu einem Tauchunfall kommt, deutlich minimiert wird. Grund genug für mich eine kleine Artikel-Reihe zu starten über die Faktoren, die zu einem Tauchunfall führen können und wie diese vermieden werden können. Aber was genau passiert in unserem Körper beim Tauchen? Was hat das Ganze mit Stickstoff zu tun? Und warum ist das Einhalten der Dekompressionszeit so wichtig, um eine Dekompressionserkrankung zu vermeiden? Auf diese Fragen gebe ich dir Antworten.
Stickstoff und das Henry Gesetz
Bei jedem Tauchgang mit Luft/Nitrox löst sich eine gewisse Menge an Stickstoff, in Form von kleinen Gasblasen, in eurem Blut. Dieser Vorgang ist auf das Henry Gesetz zurückzuführen, das besagt, dass die Konzentration eines Gases in einer Flüssigkeit direkt proportional zum Partialdruck des entsprechenden Gases über der Flüssigkeit ist. Liest sich komplizierter als es ist. Wie ihr wisst, beträgt der Umgebungsdruck an der Wasseroberfläche 1 bar. Euer Körper ist an der Oberfläche mit Stickstoff gesättigt. Das bedeutet, dass genau die Menge an Stickstoffgas gelöst ist, die unter Oberflächendruck maximal möglich ist.
Abtauchen
Taucht ihr ab, erhöht sich der Umgebungsdruck ca. 1 bar pro 10 Meter Tauchtiefe. Durch den zunehmenden Partialdruck wird mehr Stickstoff im Blut (mit höherem Druck) gelöst und in das Gewebe (mit niedrigerem Druck) abgegeben. Ihr seid nicht mehr mit Stickstoff gesättigt. Um so tiefer ihr taucht, umso höher ist der Umgebungsdruck, und umso höher ist das Druckgefälle zwischen dem Druck des Stickstoffs in eurer Lunge und dem Druck des Stickstoffs in eurem Gewebe. Je höher das Gefälle ist, umso rasanter wandert Stickstoff in euren Blutkreislauf und in euer Gewebe. Entscheidend über die Stickstoffaufnahme ist auch die Dauer, die ihr auf einer bestimmten Tiefe verbringt.
Auftauchen
Der beschriebene physiologische Prozess hat keine Auswirkung, solange der Druck konstant beibehalten wird. Sobald ihr anfangt aufzutauchen, wird dieser Prozess allerdings umgekehrt. Der Druck nimmt in geringeren Tiefen wieder ab. Der Stickstoffdruck im Gewebe ist höher als der Umgebungsdruck. Diese Phase ist entscheidend. Überschreitet das Druckgefälle zwischen dem Druck in eurem Gewebe und dem Umgebungsdruck ein bestimmtes Verhältnis, sodass der gelöste Stickstoff aus dem Gewebe austritt und dabei eine größere Menge Bläschen bildet, kommt es zur Dekompressionskrankheit. Ihr könnt euch das vorstellen wie das Aufschäumen beim Öffnen einer Sprudelflasche.
Formen der Dekompressionskrankheit
In der Regel wird zwischen zwei Schweregraden von Dekompressionskrankheit unterschieden.
Typ I (Geringfügig)
Geht mit Symptomen einher, die zwar schmerzhaft aber nicht unmittelbar lebensbedrohlich sind. In den meisten Fällen sind das starke Glieder- und Gelenkschmerzen, die häufig mit einem juckenden Hautausschlag zusammen auftreten.
Typ II (Herz-Kreislauf, Lunge, Neurologisch)
Hierunter fallen Symptome, die unmittelbar lebensbedrohend sind oder mit Lähmungserscheinungen einhergehen. Ist das Nervensystem beeinträchtigt, handelt es sich um die schwerste Form der Dekompressionskrankheit. Neben dem Tastsinn kann die Atmung oder der Herzschlag schwer beeinträchtigt sein.
Im Bereich des Technischen Tauchens und unter der Verwendung von anderen Gasgemischen lässt sich die Typisierung um zwei Formen erweitern.
Tauchen innerhalb der Grenzen
Um den Gefahren einer Dekompressionskrankheit vorzubeugen, wurde zu der Zeit der ersten Helmtauchgänge bereits ein Dekompressionsmodell von John Scott Haldane entwickelt, mithilfe dessen die Übersättigungsgrenze nicht überschritten wird. Noch heute sind seine Experimente die Grundlage für alle Tauchtabellen und Tauchcomputer. Haldanes Grundannahme, dass das Auftreten von Stickstoffbläschen grundsätzlich zu einer Dekompressionskrankheit führt, wurde mittlerweile widerlegt. Handelt es sich nur um ein geringes Maß an Stickstoffbläschen, wandern diese in die Lunge und werden ausgeschieden. Problematisch wird es, wenn sich viele Bläschen bilden, die sich zu größeren Blasen zusammenschließen. Um die Risiken einzudämmen, nutzen wir für unsere Tauchgangsplanung Dekompressionstabellen. In der Ausbildung werden für die Berechnung noch haptische Tabellen genutzt, danach erledigt das euer Tauchcomputer. Ziel dieser Berechnungen ist es nicht nur das Auftreten einer Dekompressionskrankheit zu vermeiden, sondern euch möglichst lange risikofreie Tauchgänge zu erlauben. Selbst wenn ihr konservativ taucht, euch auf euren Computer verlasst und in den vorgegebenen Grenzen taucht, ist die menschliche Physiologie unterschiedlich. Das bedeutet, dass es auch innerhalb der Grenzwerte ein gewisses Restrisiko gibt. Welche Faktoren dabei eine Rolle spielen können, werde ich innerhalb der nächsten Artikel zu diesem Thema beleuchten.