Hyggelig Assens. Ein Wochenende auf Fyn.

“So jung kommen wir nicht mehr zusammen”. Die Textzeile habe ich von Tocotronic geklaut. Helden meiner Jugend. In den letzten Tagen poppte die Liedzeile immer wieder auf. Nicht unpassend. Ich befinde mich auf dem Weg in Richtung Fyn, genauer gesagt in Richtung Assens. Einer kleinen Stadt mit knapp 6000 Einwohner, an der dänischen Westküste am Kleinen Belt. Die ganze dänische Familie wird zusammentreffen um den 50. Geburtstag meines Cousins und seine silberne Hochzeit zu feiern. Dafür rücken mein Bruder und ich aus Berlin an, um unsere Eltern zu treffen, die im Rheinland wohnen. Ich bin neugierig, die Hälfte meiner Verwandten habe ich seit einem Jahrzehnt nicht gesehen, wenn das überhaupt reicht. “Und ich find es zwar schön doch ich weiß nicht genau. Werden wir uns verstehen”. Ich bin optimistisch, dass die Familienfeier nicht wie in Vinterbergs das Fest eskalieren wird. Auch wenn die Filme der Dogma 95 Regisseure anderes vermuten lassen, nicht alle Dänen haben Leichen im Keller. Andere Quellen behaupten, die Dänen zählen gar zu den glücklichsten Menschen weltweit. Grund dafür ist sicherlich Danske Hygge, die dänische Gemütlichkeit.

Ein kleiner Spaziergang durch Assens Stadtkern

Nach dem typisch dänischen Mittagessen bestehend aus Smørrebrød (Schwarzbrot mit Butter), das wahlweise mit Leverpostej (Leberpastete), Flæskesteg (Schweinebraten mit Kruste) oder Rullepølse belegt wird und einem Blick aus dem Sommerhausfenster direkt auf das Meer, brechen wir auf für einen Verdauungsspaziergang. Wir starten an der Marina. Am Hafenbüro muss ich schmunzeln. Vor gut 13 Jahren habe ich einen Sommer hier drin gesessen und bei den Gastseglern die Liegegebühr abkassiert. Einer der angenehmeren Studentenjobs. Seitdem hat sich einiges getan. Alles wirkt moderner. Die Sommerhäuser, wovon wir eines für das lange Wochenende bewohnen, gab es damals noch nicht. Die Marina liegt gegenüber des Industriehafens. Zu Fuß sind es knappe 10 Minuten, am Hafen entlang, zum Stadtkern.

Peter Willemoes

Am Kopf des Hafens befindet sich die Statue von Peter Willemoes. Der Seeoffizier wurde 1783 in Assens geboren. Berühmtheit erlangte er durch seinen heldenhaften Einsatz in der Seeschlacht von Kopenhagen (dän: Slaget på Reden) im Jahr 1801. Der dänische Seeheld fiel im Alter von 24 Jahren im Gefecht gegen die englische Flotte.

Statue von Peter Willemoes am Hafen von Assens

Østergade

Die Hauptstraße Østergade lädt zum Flanieren ein. Ein für mich persönlich geschichtsträchtiges Haus verbirgt sich hinter der Nr. 13. Das Geburtshaus meiner Mutter und jahrzehntelange Heimat der Renseriet Elegant, die von meinem Großvater geführte Reinigung. Beides liegt vor meiner Zeit. Die Kindheitserinnerungen meiner Mutter, wie die über den vermeintlichen Hausgeist Nolli, verliehen dem um 1620 erbautem Haus, seit jeher etwas Mystisches. Ebenfalls sehenswert ist das Ensemble des ehemaligen Kaufmannshofes Plums Gaard, dessen Eingang sich auf der Østergade 38 befindet.

Vor Frue Kirke

Auf dem Rückweg in Richtung Hafen lohnt es sich kurz Halt an der Vor Frue Kirke (Liebfrauenkirche, wörtlich übersetzt: Unsere Liebe Frau) zu machen. Die zweitgrößte Kirche Fyns entstand aus einer wahrscheinlich romanischen Backsteinkirche aus dem 13. Jahrhundert. Relikte sind die Holevad-Kapelle an der Nordseite und das viereckige Unterteil des Turms. Bereits Ende des 14. Jahrhunderts wurde die Kirche umfangreich umgebaut und erweitert. Unter anderem um den 48 m hohen Turm, der abgesehen von den fünf Türmen der Vor Frue Kirke in Kalundborg, in Dänemark einzigartig ist. Die Kirche wurde mit ihrem heutigen gotischen Aussehen 1488 fertiggestellt und im späten 19. Jahrhundert restauriert

Vor Frue Kirke in Assens

Links

Homepage der Touristeninformation Assens

 

Zum Kaffee trinken nach Bågø

Die Insel ist die einzige bewohnte Insel in der Gemeinde Assens und zählt knapp unter 30 Einwohner. Obwohl sie direkt gegenüber von Assens liegt, musste ich erst Mitte 30 werden, um sie das erste Mal zu betreten. Dabei scheint es sich um eine Familientradition zu handeln – meine Großmutter besuchte Bågø erst kurz vor ihrem Tod mit weit über 80. Dass die Insel im Herbst recht rau sein kann, merken wir bereits auf dem Weg dorthin. Auf dem Motorboot meines Cousins kämpfen wir uns durch die aufgewühlte Ostsee. Wir sind alleine am Hafen, die Insel strahlt eine meditative Ruhe aus. Mit einer Tasse starken Kaffee in der Hand lassen wir den Blick über die flache Landschaft mit dem markanten Leuchtturm schweifen. Im Sommer lässt sich die Insel gut zu Fuß oder mit den für kleines Geld zu mietenden Rädern erkunden. Der Badestrand gehört zu einer der schönsten in der Region. In den Sommermonaten ist das Kiosk am Hafen geöffnet und verkauft Snacks und Souvenirs an die Tagesausflügler. Wer die Nacht auf der Insel verbringen möchte, schlägt sein Zelt auf dem am Hafen gelegenen Campingplatz auf. Im Bågø Naturcenter finden Gruppen bis zu 26 Personen ein Nachtquartier. Die Personenfähre verkehrt ganzjährig 4 Mal am Tag zwischen Assens und Bågø die Überfahrt dauert eine 1/2 Stunde.

Blick über die Landschaft und den Leuchtturm auf Baagø

Links

Fahrplan der Fähre und weitere Informationen über die Insel

Natur pur auf Helnæs

Die Halbinsel liegt ca. 20 km südöstlich von Assens und ist nur über einen schmalen Damm erreichbar. Helnæs ist seit der Steinzeit besiedelt und erfreut sich in der Gegenwart einer aktiven Kunst- und Kulturszene mit mehreren Galerien. Die höchste Erhebung beträgt 30 m. Besonders Wanderfreunde können sich innerhalb der abwechslungsreichen Natur austoben. Direkt hinter dem Straßendamm, der die Halbinsel mit Agernæs auf Westfyn verbindet, liegen die Hügel Bobakkerne. Westlich des Ortes Helnæs By liegt im Süden der Halbinsel das Wiesengebiet Maden. In dem Naturschutzgebiet haben sich verschiedene Stelz- und Raubvogelarten angesiedelt.

Nach diesem Wochenende habe ich meine Liebe zu Fyn und Assens wieder aufgefrischt. Ich habe mir vorgenommen bald wieder zu kommen. Wir haben uns verstanden, sehr gut sogar.

11 Comments

  1. Barbara 11. November 2017 at 14:45

    Dänemark hat so viele schöne Ecken! Von Assens habe ich noch nie gehört, obwohl ich schon mehrmals auf Fünen war. Auch wenn die See rauh war, Dein Besuch dort liest sich wunderbar. Danke für den schönen Bericht!

    Reply
    1. Annette 11. November 2017 at 15:21

      Assens ist auf jeden Fall einen Besuch wert. Es ist recht nah bei Odense. Mir hat es trotz Herbstwetter zum wiederholten Mal sehr gut gefallen, aber im Frühling oder Sommer kann man die Natur sicherlich noch besser genießen.

      Reply
  2. Naninka 11. November 2017 at 15:32

    Ich war schon zwei mal an der dänischen Westküste, aber nicht in Assens. Sieht aber toll aus. Besonders mag ich das Hafenbild. Aber das ist auch nicht weiter verwunderlich, bin ich doch ein absoluter Wassermensch. Schön, deinen Blog gefunden zu haben, das Tauchen ist unseres ja ebenso

    Reply
    1. Annette 11. November 2017 at 15:40

      Danke dir Naninka! Haha, ja als Wassermensch teilen wir die gleiche Leidenschaft. Ich fühle mich auch am und im Wasser am wohlsten.

      Reply
  3. Tina 11. November 2017 at 17:21

    Von der Ecke der Welt hatte ich bis jetzt noch gar nichts gehört 😊
    Durch deinen Bericht und die schönen Bilder habe ich jetzt richtig Lust dazu, da auch mal vorbeizuschauen.

    Reply
    1. Annette 11. November 2017 at 18:43

      Das freut mich, dass ich dich der Beitrag inspirieren konnte. Dänemark hat wirklich sehr schöne Ecken und im Herbst/Winter ist man meistens alleine in der Natur unterwegs.

      Reply
  4. Selda Eigler 12. November 2017 at 13:46

    Liebe Annette,
    ich lese deine Berichte sehr gerne. Sie sind so kurzweilig und sehr schön. Dänemark kenne ich leider gar nicht. Wie schön, wenn man das Geburtshaus seiner Mutter besuchen kann. Und dann noch mit mystischen Erinnerungen. Ich kann dich gut verstehen, dass du dich mit Fyn und Assens gut verstanden hast und freue mich auf weitere schöne Berichte aus dieser schönen Gegend.
    Liebe Grüße, Selda.

    Reply
    1. Annette 12. November 2017 at 15:11

      Danke liebe Selda,
      da geht mir doch gleich das Herz auf 🙂
      Ja, Dänemark und besonders Assens haben einen großen Stellenwert für mich.
      Liebste Grüße an dich
      Annette

      Reply
  5. Miriam 12. November 2017 at 20:49

    Die Ecke kannte ich überhaupt nicht! Vielen dank für den schönen Einblick, beim nächsten Dänemark Besuch, wäre Assens definitiv mal einen Abstecher wert!
    Lg Miriam

    Reply
    1. Annette 13. November 2017 at 8:10

      Liebe Miriam,
      freut mich dir eine neue Ecke von Dänemark schmackhaft machen zu können. Assens ist auch nicht weit von Odense, mann kann beides prima verbinden.
      Liebe Grüße
      Annette

      Reply
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