Ein Tauchwochenende in der Schweiz

Vor zwei Jahren auf Madeira habe ich mich selbst zum Tauchen in die Schweiz eingeladen. Es ist ja nicht so, dass es in Berlin keine Seen gäbe, in die man springen könnte, wenn die Sehnsucht nach dem unter Wasser zu sein zu groß wird. Irgendwie hat sich die Vorstellung in meinen Kopf absurder angefühlt, als mit 30 kg Gepäck für ein verlängertes Wochenende in die Schweiz zu fliegen. Um einen guten Tauchfreund zu besuchen.

Der Himmel ist wolkenverhangen und ich schleppe mich in meinen drei Lagen und gut 25 kg, auf Rücken und Hüfte verteilt, auf die gegenüberliegende Straßenseite. Hinter der Fahrbahnbegrenzung führt eine Treppe in den Zuger See. Früher gab es hier nur einen Strick um ein- bzw. auszusteigen. Der Name des Tauchplatzes ist geblieben.

Zuger See

Jetzt habe ich den Salat. Ich bin mir gerade nicht so sicher, wie ich das finde. Tauchen in der Schweiz. Überhaupt von einer Sichtweite zu sprechen, ist fast schon anmaßend. Ich klebe meinem Buddy förmlich am Hintern. Es fühlt sich so an, als würde ein kurzer Seitenblick bereits reichen, um ihn im trüben Wasser unwiederbringlich zu verlieren. Es geht abwärts in die Dunkelheit. Wenigstens wird die Sicht allmählich besser. Wir passieren eine Sprungschicht. Ich habe das Gefühl mein Gehirn friert ein. Der Blick auf meinen Tauchcomputer bestätigt mir, dass die Annahme gar nicht mal so verkehrt ist. 5 Grad, 30 Meter und es ist zappenduster.

Diese Dunkelheit ist für mich neu. Ich habe mit Sicherheit drei Dutzend Nachttauchgänge im Meer gemacht, aber verglichen mit der Dunkelheit, die mich jetzt gerade umgibt, war das ein Kindergeburtstag. Stellt euch vor ihr seid in einem Raum ohne Fenster und jemand macht das Licht aus und schlägt die abgedichtete Tür zu, dann habt ihr eine Idee davon, wie dunkel es hier im See ist. Wir passieren die 40 Meter Marke. Ich gewöhne mich an die Kälte und Dunkelheit und meine Aufregung legt sich. Vielleicht nur ein einsetzender Tiefenrausch. Langsam finde ich Gefallen an dem, was ich tue. Im Schein meiner Lampe inspiziere ich die Umgebung und die zerklüftete Felswand an der wir Tauchen.

Ab und zu deutet mein Buddy auf irgendwas. Ich bin zu sehr mit mir selbst beschäftigt, um ein Auge für Kleinzeug zu haben. Gebe aber ambitionierte OK-Zeichen – er meint es ja nur gut. Beim Auf- und Austauchen schwimmt mir auch mal ein Fisch vor die Brille. Yeah, ein Fisch! In strömendem Regen verlassen wir den See. Umziehen unter der Autobahnbrücke. Ich beneide meinen Buddy um seinen Trockentauchanzug und klopfe mir innerlich drei Mal auf die Schulter, wie tapfer ich doch bin. Oder einfach nur bescheuert.

Wir packen zusammen und es geht zum nächsten See. Ich bin erstaunt darüber wie nah dann doch alles beieinander liegt. Kurz habe ich vergessen, dass die Schweiz mit 41.285 km² Fläche einfach ein kleines Land ist. Wir nutzen unsere Oberflächenpause und essen einen sündhaften teuren Salat mit Blick auf den Vierwaldstättersee im Regen. Ich bin leicht erschöpft und froh, dass wir es statt den drei potenziellen Tauchgängen bei  den Zweien belassen.

Tauchen Zuger See
Zuger See

Vierwaldstättersee

Nach der Oberflächenpause klart es auf. Der See ist riesig und türkis. Jetzt bekomme ich doch wieder Lust. Nicht zuletzt weil wir am Tauchplatz Eichwald tauchen. Grund für meine Freude nennt sich “Bruno”. Das Wrack wurde 2007 als Attraktion für Sporttaucher versenkt. Es liegt auf etwa 15 m parallel zum Ufer. Am Einstieg befindet sich eine Tafel mit einer Tauchplatzkarte und der genauen Position des Wracks. Hätten wir darauf geschaut, hätten wir das Wrack vermutlich auch gefunden. So tauchen wir treffsicher entweder am Heck oder am Bug vorbei. Weder an der Sicht noch an den Temperaturen hat sich etwas geändert. Aber an meiner Souveränität.

Ich werfe auch mal einen Blick nach rechts und links. Tauche an Baumstämmen und Schutt vorbei, halte es im ersten Moment für das versunkene Schiff, die Kamera im Anschlag. Fehlanzeige. Ich bin nicht enttäuscht. Versunkenes Altmetall hatte ich in den letzten Jahren zu Genüge. Was dahingehend mein Herz hüpfen lässt, ist das Panorama um mich herum. Die Schweiz ist wirklich hübsch.

Auf dem Nachhauseweg döse ich auf dem Beifahrersitz. Egal ob Tauchen im Meer oder in der Schweiz im See. Nach  den zwei Tauchgängen bin ich ganz schön platt. Ich werde erst wieder am Tauchshop wach. Die erste Stufe des Lungenautomaten meines Buddys verliert Luft, sobald man an ihm ruckelt. Kein Drama, aber wir wollen für den nächsten Tauchtag kein Risiko eingehen. Es stellt sich heraus, dass der O-Ring fehlt. Dinge die bei der Revision nicht passieren sollten. Als Entschädigung gibt es die Flaschenfüllungen aufs Haus.

Am Abend geht es nach Basel. Touristenprogramm für mich. Wir schlendern durch die Altstadt. Essen Rösti und Hörnli, schnappen ein paar Akkorde von the Gardener and the Tree auf, die im Rahmen des IMFLUSS Festivals mitten auf dem Rhein spielen und überqueren eben diesen zu guter Letzt mit einer der vier Rollfähren. Mit einem Absacker in der Hand genießen wir den Blick über das nächtliche Basel. Ich fühle mich so erschöpft, als wäre ich den ganzen Tag gerannt.

Zürichsee

Der nächste Tag beginnt früh, wir haben uns drei Tauchgänge vorgenommen. Die Wetterprognose verspricht hervorragendes Wetter. Ich habe bereits gelernt, dass es in Basel strahlender Sonnenschein sein kann, während es ein paar km weiter in der Innerschweiz schüttet. Heute scheint es aber wirklich überall gut zu werden. Wir brechen auf in Richtung Zürichsee. Am Tauchplatz “kleiner Parkplatz” in Erlenbach herrscht bereits reges Treiben. Wer sich über den Namen wundert – ein paar Meter weiter gibt es noch den Tauchplatz “großer Parkplatz”.

Im Gegensatz zum Vortag fühle ich mich zwar immer noch nicht wie der Usain Bolt des Kalterwassertauchens, aber auch nicht mehr so, als würde ich gerade meinen ersten Tauchgang bestreiten. An der Kälte und der Dunkelheit hat sich nichts geändert, aber die Sicht ist um einiges besser. Wir tauchen an einer Steilwand. Jemand hat in der Tiefe einen Hai aus Metall befestigt. Ich komme mir etwas bescheuert vor das Ding zu fotografieren. Die Schatztruhe ein paar Meter weiter, schenke ich mir aber dafür. Das Foto schicke ich meinen Eltern am Abend. Sie stutzen kurz. Ich kann es ihnen nicht verübeln. Im letzten Jahr um die Zeit habe ich Ihnen ein Foto von einem Blauhai geschickt. Nur das es sich dabei um einen Echten gehandelt hat und ich nicht gerade einem Schweizer See, sondern dem Atlantik entstiegen bin.

Zuger See, die Zweite

Die Dekopause nutzen wir, um unseren nächsten Tauchplatz anzusteuern. Mit der Fähre geht es vom nahe gelegenen Meilen nach Horgen. Dadurch sparen wir ein paar km. Ich genieße die kurze Überfahrt. Fähre Fahren erweckt bei mir grundsätzlich Kindheitserinnerungen. An Sommerferien in Dänemark. Wir fahren noch mal zum Zuger See. An einen anderen Tauchplatz als am Vortag. Am “Känzeli” taucht es sich in einer wunderhübschen Umgebung. “Der schönste Tauchplatz in der ganzen Schweiz” kommentiert ein Radfahrer, während ich etwas kritisch den steilen Weg zum Einstieg begutachte. In der Tat macht der Tauchplatz einiges her. Wir tauchen an und über verschiedene Steilwände entlang einer Landzunge. Ich bin selig aber auch ganz schön groggy, als wir aus dem Wasser kommen. Die Schlepperei der Ausrüstung zum Tauchplatz und wir zurück und das kalte Wasser rauben mir Energie.

Tauchen Zuger See
Tauchplatz Känzeli

Die Mittagspause verbringen wir auf dem Gubel. Eine Anhöhe auf gut 980 m in der Gemeinde Zug. Wer jetzt gerade denkt, dass wir nach zwei Tauchgängen, jenseits der 30 m Marke, bescheuert sind in die Höhe zu fahren, kann ich beruhigen. Der Zuger See befindet sich auf einer Höhe von knapp 415 m. Bereits vor dem ersten Tauchgang haben wir unsere Tauchcomputer auf den ersten Bergmodus gestellt. Die Nullzeitgrenze verringert sich entsprechend. Unser Ausflug und den wundervollen Ausblick über den Kanton Zug können wir unbesorgt genießen. Mehr Sorgen mache ich mir dahingehend über den Wind, der um meine Ohren pfeift.

Ägerisee

An einem Tauchtag ticken die Uhren schneller. 9 Stunden sind wir bereits unterwegs und auf den Beinen. Die Sonne steht tief, als ich das letzte Mal mein Tauchkramm aus dem SUV wuchte. Der Ägerisee ist mit seinen 7,3km² Fläche und einer maximalen Tiefe von 83 m der kleinste und flachste See, den wir dieses Wochenende betauchen. Der Einstieg direkt neben einer Kapelle ist in diesem Fall namensgebend für den Tauchplatz. Ich fluche beim Einstieg über die großen Steine und befürchte aufgrund meiner Tollpatschigkeit schlimmeres. Grazil sieht anders aus. Irgendwie komme ich im Wasser an.

Es gibt diese Tauchgänge, wo es einfach nicht so richtig passt. Bereits beim Abstieg merke ich, dass dies so einer ist. Meine Maske läuft permanent mit Wasser voll und das Ausblasen, während mir bereits in geringer Tiefe das kalte Wasser entgegenschlägt, verbessert mein Wohlbefinden nicht. Ich stoppe meinen Buddy bei 16 m und beschließe, dass das meine maximal Tiefe für diesen Tauchgang ist. In meinen Tauchanfängen hätte ich die Zähne zusammen gebissen und meine Wohlfühlgrenze, wenn schon nicht überschritten, so zumindest ausgereizt. Das Wissen wie dumm und letztlich auch gefährlich ein solches Handeln ist, kam mit der Erfahrung. Jedem Tauchanfänger kann ich nur ans Herz legen, von vornherein auf sich selbst zu hören. Ihr kennt eure Grenzen am besten.

In verhältnismäßig geringer Tiefe tauchen wir entlang des Ufers. Die Bewachsung hat es mir angetan. Meine ersten Gehversuche mit dem Fotografieren im See. Die Stimmung und das Licht sind komplett anders, als ich es gewohnt bin. Mit den Ergebnissen bin ich zufrieden.

Den Abend lassen wir mit einem Glas Wein ausklingen. Ich habe die beiden Tauchtage sehr genossen. Bin aber auch froh, dass wir uns am nächste Tag mehr am und auf dem Wasser als unter Wasser aufhalten. Aus mir wird keine passionierte Kaltwassertaucherin.

Tipps und Links für das Tauchen in der Schweiz

Tauchen kann man in der Schweiz in den meisten Seen und hat dort mehrere Plätze zur Auswahl. Eine sehr gute Übersicht inklusive Anfahrtsbeschreibung findet sich auf der Seite der Swiss Divers.

Eure Falschen könnt ihr entweder in den verschiedenen Tauchshops befüllen lassen. An den Selbstbefüllstationen rund um die Uhr. Wenn ihr regelmäßig in der Schweiz tauchen wollt, lohnt sich auch die Anschaffung eines U-Keys/Luftschlüssel des Schweizer Luftverbundes.

Wenn ihr keinen Trockentauchanzug besitzt und oder über die nötigen Kenntnisse verfügt, packt euch warm an. Handschuhe, Kopfhaube und eine Eisweste sind neben einem 7 mm (Halbtrocken-) Neoprenanzug notwendig. Jedenfalls wenn ihr nicht nur flach Tauchen wollt.

Solltet ihr nicht mit dem eigenen Auto anreisen, wählt einen Leihwagen, der ausreichend Stauraum hat. Equipment, Flaschen und Wechselklamotten sprengen die Kapazitäten eines Kleinwagens.

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